Sehr oft werden wir gefragt, was man gegen die teils sehr schlimmen Narben durch exzessiven Konsum oder durch Selbstverletzungen machen kann. Wir sind dem Thema gewissenhaft nachgegangen und haben effektiv den grossen Leidensdruck der Einzelnen gespürt.
Ich selber stark tätowiert, dachte da schnell eine eine Möglichkeit. Mein Tätowierer ist sogar spezialisiert auf Narbentattos. Wir haben oft darüber geredet und ich merkte sein grosses Anliegen, Menschen von diesem Leiden zu befreien und aus schrecklichen Erinnerungen, etwas Neues, Schönes und Positives zu schaffen. Hier ein Artikel aus der Zeitung zu diesem Thema und meinem Tätowierer des Vertrauens. DIDI von Saint City Tattoo St. Gallen. https://tattoonet.ch auch über uns (Endlesslife) sind Beratung und Informationen oder allfällige Unterstützung möglich.
Bild und Text aus dem Artikel https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/stgallen/neuanfang-irgendwann-habe-ich-die-blicke-und-kommentare-nicht-mehr-ertragen-wie-eine-frau-mit-narben-hilfe-bei-einem-stgaller-taetowierer-fand-ld.2439116
«Irgendwann habe ich die Blicke und Kommentare nicht mehr ertragen»: Wie eine Frau mit Narben Hilfe bei einem St.Galler Tätowierer fand.
Carla Kabischs Körper ist seit ihrer frühesten Jugend mit Narben übersät. Auf der Suche nach einem Tattoostudio, das Narbenabdeckung anbietet, ist die Deutsche im «Saint City Tattoo» in St.Gallen gelandet.
Der Frühling ist fast da, und auch der Sommer lässt nicht mehr allzu lange auf sich warten. Die meisten Menschen freuen sich darauf: Sonne und luftige Kleider. Für Carla Kabisch war die warme Jahreszeit fast ihr halbes Leben lang der blanke Horror.
Die Angst vor Kleidungsstücken, die Haut zeigen, die Blicke und das Getuschel der Menschen haben sie jahrelang begleitet. Die heute 35-Jährige leidet seit ihrer frühesten Jugend unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und hat sich ihre Arme und Beine aufgeschnitten. Unzählige Narben waren die Folge. Narben, die heute nicht mehr sichtbar sind, denn Carla hat sich diese mit Tattoos überdecken lassen.
Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erkrankt sind, befinden sich in einem ständigen inneren Chaos. Sie können ihre Gefühle nicht regulieren und leiden aus diesem Grund an extremen Stimmungsschwankungen und Impulsivität. Selbstverletzungen können bei Betroffenen die Folge sein.
Ein schöner Sommertag sei das gewesen damals, erzählt Kabisch. Sie erinnert sich an laute Musik und gute Laune, sie habe ausnahmsweise mal ein T-Shirt getragen, auf dem Open-Air-Konzert, das sie mit einer Freundin besuchte. Plötzlich habe sich eine Frau in der vorderen Reihe zu ihr umgedreht, auf ihre Arme gestarrt und angefangen, mit ihren Begleitern zu tuscheln, die sich daraufhin ebenfalls umgedreht hätten.
Die Clique habe das Konzert, das vor ihnen in vollem Gange war, komplett vergessen. Carlas Narben, die sie unübersehbar an ihren Armen hatte, schienen in diesem Moment interessanter zu sein. «Irgendwann habe ich die Blicke und Kommentare der Menschen einfach nicht mehr ertragen. Dass sie mich anstarren und mit dem Finger auf mich zeigen.» Nach langen Überlegungen machte sie sich auf die Suche nach Möglichkeiten, die Zeichen ihrer Krankheit auf ihrem Körper unsichtbar zu machen.
Wenn aus Körperkunst ein Neuanfang wird
Die Zahl der Tätowierer, die sich an das heikle Thema Narbenabdeckung herantrauen, ist allerdings begrenzt. Carla, die in Lörrach lebt, sagt, sie habe in ihrer Umgebung keinen einzigen gefunden, der das Überdecken von Narben angeboten habe, und so habe sie schliesslich ihre Suche auf die Schweiz ausgeweitet.
«Auch wenn man nach Schweizer Tattoostudios googelt, die Narben abdecken und das Angebot auf ihrer Homepage ausdrücklich erwähnen, dann findet man gerade einmal zwei», sagt sie. «Eines ist in Bern und das andere ist das «Saint City Tattoo» in St.Gallen. So kam es, dass ich vergangenes Jahr bei Didi gelandet bin.» Dem sie, wie sie sagt, ihr neues Leben zu verdanken hat.
Didier Stöffler, genannt Didi, ist kein unbekannter Tätowierer in St.Gallen. Seit zwanzig Jahren führt er sein Studio in der Spisergasse. Es ist ein kleines Tattoostudio, etwas versteckt, nicht sofort zu finden, schon gar nicht für jemanden, der von ausserhalb kommt. Kein riesiges Schaufenster, kein Showroom. Eher eine schlichte Einrichtung. Das «Saint City Tattoo» wirkt heimelig, an den Wänden hängen Schwarz-Weiss-Fotografien von Hollywoodlegenden wie Lauren Bacall, Marilyn Monroe oder Clark Gable und verleihen dem Studio einen nostalgischen Charme.
Vertrauen sei ihr wichtig gewesen, und Empathie. «Man möchte ja auch nicht jedem seine Lebensgeschichte erzählen», sagt Carla. Und erst recht nicht, wenn diese traurig und schmerzhaft sei. «Aber bei Didi habe ich mich sofort aufgehoben und verstanden gefühlt.»
Das Tätowieren von vernarbter Haut wird kaum angeboten
Didi Stöffler sagt: «Ich weiss, dass es viele Personen Überwindung kostet, ihre Narben zu zeigen und vor allem auch darüber zu sprechen, da hinter den Geschichten oft schwere Schicksale stehen. Deshalb versuche ich, besonders auf meine Kundinnen und Kunden einzugehen und gemeinsam mit ihnen eine Lösung zu finden.»
Überwiegend seien es junge Mädchen und Frauen. Auch was die Tattoomotive angehe, müsse man sich bereden, da bei vernarbter Haut nur grossflächig tätowiert werden kann. Für das grossflächige Tätowieren über vernarbte Haut sei zudem eine spezielle Technik erforderlich, sagt Stöffler.
Wichtig sei es erst einmal, dass die Narben komplett abgeheilt sind und zweitens, dass man schnell über die verletzte Haut tätowiert. Diese Hautpartien sind nicht mehr glatt wie gesunde Haut, sondern je nach Schweregrad des Narbengewebes uneben und oft sogar wulstig. «Wenn man das nicht beherrscht, kann es zu sogenannten ‹Blow-outs› kommen, das bedeutet das Verlaufen der Farbe», sagt Stöffler.
Viele Tätowierer würden sich da nicht heranwagen, infolgedessen wird das Tätowieren von vernarbter Haut kaum angeboten. «Es ist nicht einfach und es braucht Erfahrung, aber es ist möglich.» Etwas, dass viele Leute nicht wüssten und dann weiterhin unter ihren Narben leiden würden. Von farbigen Tattoos solle man aber ganz absehen, da diese oft schon normale Haut reizen würden.
Auch wenn die Narbe gut überstochen sei, wird sie bei sehr naher Betrachtung immer noch leicht durch die unebene Struktur sichtbar bleiben. «Aber Aussenstehende sehen auf den ersten Blick einfach nur ein schönes Tattoo und sprechen mich nicht mehr auf meine Narben an», sagt Carla. Viele Jahre sind vergangen, in denen die junge Frau sich für diese geschämt hat, sich nicht frei und unbeschwert fühlen konnte. Das hat nun ein Ende.
Ihre Borderline-Störung hat sie seit fünf Jahren im Griff. Sie hat eine neue Liebe gefunden und ist zum ersten Mal schwanger. Für die meisten Menschen sind Tattoos Körperkunst, Körperschmuck und Ausdruck ihrer Individualität. Für Carla sind sie mehr – ein neues Leben.